Nachhaltiger Konsum

Energy Sharing – wenn Strom verbindet

5 Minuten
Ein Ehepaar sitzt in ihrem Garten auf der Wiese, sehen sich glücklich an und der Mann hält eine PV-Palette in der Hand. Im Hintergrund ist ein Wohngebiet.

In Zeiten steigender Energiepreise und wachsender Umweltverantwortung suchen viele Menschen nach Möglichkeiten, eigene Energiekosten zu senken und gleichzeitig einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Ein innovatives Konzept, das immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist „Energy Sharing“. Wir wollen hinter die Begrifflichkeit blicken, ansprechen, was in der EU bereits möglich ist – und hierzulande noch möglich sein könnte.

Was ist Energy Sharing?

Energy Sharing bedeutet, dass mehrere Haushalte oder Unternehmen gemeinsam erzeugte erneuerbare Energie – zum Beispiel aus Photovoltaikanlagen – untereinander teilen. Es ist eine Art „Energie-Gemeinschaft“, bei der der Strom dort genutzt wird, wo er gebraucht wird – lokal, nachhaltig und oft deutlich günstiger als aus dem öffentlichen Netz.

Beispiel: Familie Gruber aus Österreich hat sich kürzlich für eine eigene Photovoltaik-Anlage entschieden. Da ihr Haus eine vorteilhafte Südausrichtung hat, haben sie gleich die ganze Dachhälfte mit Sonnenmodulen vollgepackt. Gerade an Sonnentagen kann die Anlage den darüber erzeugten Strom oft gar nicht komplett selbst verbrauchen. Er wandert dann ins öffentliche Netz. 

Und da ist noch das Ehepaar Huber eine Straße weiter. Ihr Haus liegt nahezu den ganzen Tag im Schatten. Eine PV-Anlage wäre viel zu teuer für den Ertrag. Also gibt es den Strom nach wie vor über den Grundversorger.

Was wäre, wenn Grubers ihren Nachbarn einen Teil des überschüssigen Stroms abnehmen könnten? Und das zu einem Strompreis, der unter dem des lokalen Energieversorgers liegt? 

  • Ehepaar Huber würden Stromkosten sparen. 
  • Familie Gruber würden über das Teilen mehr für ihren erzeugten Strom bekommen als die aktuelle Einspeisevergütung.¹ 
  • Der produzierte Ökostrom würde „in der Region“, wodurch die CO₂-Emissionen zu sinken.

Genau das ist die Idee von Energy Sharing – ein Modell, für das die Europäische Union den Weg klar vorgegeben hat.

Möglichkeit, die Energiewende zu demokratisieren

Energy Sharing ist mehr als „eine geteilte Ökostromrechnung“ – es geht um ein neues Miteinander:

  • Nachhaltigkeit, die sozial gerecht ist
  • Mehr Bürgerbeteiligung an der Energiewende
  • Überkapazitäten an Ökostrom müssen nicht verpuffen, sondern können direkt vor Ort genutzt werden. 
  • Zugang zu ökologisch produziertem Strom – selbst für die, die kein:e aktiven Produzent:innen sein können.
  • Günstigere Strompreise 
  • Weniger Abhängigkeit von Großkonzernen
  • Entlastung des Stromnetzes insgesamt

Die Idee der EU: Energie teilen über private Energiegemeinschaften

Energy Sharing, wie es die EU-Richtlinie vorsieht, geht viel weiter: Bürger:innen sollen flexible Energiegemeinschaften gründen können.² In Form dieser Gemeinschaften können sie gemeinsam zum Beispiel PV-Anlagen betreiben, darüber Strom erzeugen, speichern und nutzen. Dafür müssen sie nicht im selben Haus wohnen. Es sind also auch Gemeinschaften in der Nachbarschaft oder im Dorf möglich. Der Gesetzgeber hat einen Umkreis von etwa 50 Kilometern im Auge. Der zweite wesentliche Unterschied zum deutschen Modell: Die Energiegemeinschaften können das öffentliche Netz mitnutzen, um den gemeinschaftlich erzeugten Ökostrom zu vergünstigten Tarifen zu beziehen. 

Hierzulande hätte die Richtlinie bis Mitte 2021 in deutsches Recht umgesetzt werden müssen. Doch das skizzierte Modell scheitert hier daran, dass für Stromlieferungen über das öffentliche Netz auch für Energiegemeinschaften die gleichen Auflagen gelten wie für große Stromversorger – inklusive Abgaben, Umlagen und bürokratischen Anforderungen. Auch ist eine individuelle Abrechnung nach tatsächlich erzeugtem und verbrauchtem „eigenem“ Ökostrom unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Tarife bislang technisch flächendeckend nicht möglich, solange das öffentliche Netz für die Verteilung genutzt wird.  

Der Gesetzgeber arbeitet noch an Lösungen. Der aktuelle Koalitionsvertrag aus dem Frühjahr 2025 enthält allerdings – über ein allgemeines Bekenntnis zu Energy Sharing hinaus – noch keine detaillierten Maßnahmen oder Zeitpläne zur Umsetzung.³

Vorreiter Europa: Was tun unsere Nachbarländer bereits in Sachen Energy Sharing?⁴

  • In Österreich ist der Zusammenschluss von Bürgerenergiegemeinschaften über Gebäudegrenzen hinweg und unter Nutzung des öffentlichen Stromnetzes seit Mitte 2021 möglich. Dazu waren u.a. grundlegende Erweiterungen der IT-Systeme nötig, um die Berechnung und die Energiezuweisung abbilden zu können. Entstanden sind zum Beispiel eigene energiewirtschaftliche Kommunikationsplattformen. Die Gründung von Gemeinschaften wurde staatlich finanziell gefördert.⁵ 
  • In Italien gilt für Gemeinschaften eine Kapazitätsobergrenze von 1 MW pro Gemeinschaftsanlage. Zudem müssen alle Anschlusspunkte an dasselbe Nieder- oder Mittelumspannwerk angeschlossen sein, wodurch der geografische Radius begrenzt wird. Die Verteilnetzbetreiber haben die Pflicht, Daten auf Basis von Stundenmesswerten zu erfassen. Hierfür dienen die intelligenten Zähler, die bereits flächendeckend installiert wurden. Italien hat zudem ein Anreizsystem entwickelt, bei dem Anlagenbetreiber zusätzlich zur Marktprämie eine Energy Sharing-Prämie für jede innerhalb der Gemeinschaft erzeugte und verbrauchte Kilowattstunde Strom erhalten.
  • Skandinavien: Während die rechtlichen Rahmenbedingungen für Energy Sharing in unterschiedlich entwickelt sind, zeigen zahlreiche Projekte und Initiativen das Potenzial gemeinschaftlicher Energieerzeugung und -nutzung. Dänemark (z.B. durch den fortgeschrittenen Ausbau der Fernwärmenetze) und Schweden mit den zahlreichen lokalen Bürgerenergieprojekten gelten dabei als Vorreiter, während Norwegen und Finnland verstärkt in den Ausbau entsprechender Modelle der Energiewende investieren. 
  • Spanien und Portugal bietet es Förderprogramme, die Energie gemeinschaftlich nutzbar machen – ohne hochschwellige Genehmigungen oder teure Abgaben.

Fazit: Energy Sharing – ein Modell mit oder der Zukunft?

Energie zu teilen ist mehr als ein technischer Trend – es ist ein Ausdruck eines neuen, solidarischen und nachhaltigen Umgangs mit Energie. Die deutschen Strom-Teil-Modelle sind ein erster wichtiger Schritt in Richtung Teilen von Ökoenergie. Wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen stimmen, könnten wir bald auch über Gebäudegrenzen hinweg gemeinsam Strom erzeugen und nutzen. Das spart nicht nur Stromkosten, sondern trägt unmittelbar zum Klimaschutz bei.

Klein anfangen und die Energiewende im eigenen Haus starten: Zum Beispiel mal den Vermieter oder die Vermieterin und andere Nachbarn fragen, ob ein individuelles Sharing-Projekt im eigenen Haus in Frage kommt? Oder direkt selbst überlegen, inwiefern eine eigene PV-Anlage oder ein Balkonkraftwerk Sinn machen würden? Denn: Richtig kalkuliert werden auch Sie durch Maßnahmen wie diese unabhängiger vom Stromversorger und gehen sicher, dass wirklich Ökostrom in Ihre Steckdose fließt.

Quellen

1

Im April 2025 betrug der OeMAG-Einspeisetarif 5.855 Cent pro Kilowattstunde. https://www.oem-ag.at/de/home/?utm_source=smartmeter-portal.at – aufgerufen am 30.05.2025.

2

Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen. – aufgerufen am 27.05.2025

3

Stand: Mai 2025

4

https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2024/dena_FEL_Energy-Sharing_Bericht_Web.pdf – aufgerufen am 27.05.2025

5

https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2024/dena_FEL_Energy-Sharing_Bericht_Web.pdf – aufgerufen am 27.05.2025

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