Beispiel: Familie Gruber aus Österreich hat sich kürzlich für eine eigene Photovoltaik-Anlage entschieden. Da ihr Haus eine vorteilhafte Südausrichtung hat, haben sie gleich die ganze Dachhälfte mit Sonnenmodulen vollgepackt. Gerade an Sonnentagen kann die Anlage den darüber erzeugten Strom oft gar nicht komplett selbst verbrauchen. Er wandert dann ins öffentliche Netz.
Und da ist noch das Ehepaar Huber eine Straße weiter. Ihr Haus liegt nahezu den ganzen Tag im Schatten. Eine PV-Anlage wäre viel zu teuer für den Ertrag. Also gibt es den Strom nach wie vor über den Grundversorger.
Was wäre, wenn Grubers ihren Nachbarn einen Teil des überschüssigen Stroms abnehmen könnten? Und das zu einem Strompreis, der unter dem des lokalen Energieversorgers liegt?
- Ehepaar Huber würden Stromkosten sparen.
- Familie Gruber würden über das Teilen mehr für ihren erzeugten Strom bekommen als die aktuelle Einspeisevergütung.¹
- Der produzierte Ökostrom würde „in der Region“, wodurch die CO₂-Emissionen zu sinken.
Genau das ist die Idee von Energy Sharing – ein Modell, für das die Europäische Union den Weg klar vorgegeben hat.
Möglichkeit, die Energiewende zu demokratisieren
Energy Sharing ist mehr als „eine geteilte Ökostromrechnung“ – es geht um ein neues Miteinander:
- Nachhaltigkeit, die sozial gerecht ist
- Mehr Bürgerbeteiligung an der Energiewende
- Überkapazitäten an Ökostrom müssen nicht verpuffen, sondern können direkt vor Ort genutzt werden.
- Zugang zu ökologisch produziertem Strom – selbst für die, die kein:e aktiven Produzent:innen sein können.
- Günstigere Strompreise
- Weniger Abhängigkeit von Großkonzernen
- Entlastung des Stromnetzes insgesamt
Die Idee der EU: Energie teilen über private Energiegemeinschaften
Energy Sharing, wie es die EU-Richtlinie vorsieht, geht viel weiter: Bürger:innen sollen flexible Energiegemeinschaften gründen können.² In Form dieser Gemeinschaften können sie gemeinsam zum Beispiel PV-Anlagen betreiben, darüber Strom erzeugen, speichern und nutzen. Dafür müssen sie nicht im selben Haus wohnen. Es sind also auch Gemeinschaften in der Nachbarschaft oder im Dorf möglich. Der Gesetzgeber hat einen Umkreis von etwa 50 Kilometern im Auge. Der zweite wesentliche Unterschied zum deutschen Modell: Die Energiegemeinschaften können das öffentliche Netz mitnutzen, um den gemeinschaftlich erzeugten Ökostrom zu vergünstigten Tarifen zu beziehen.
Hierzulande hätte die Richtlinie bis Mitte 2021 in deutsches Recht umgesetzt werden müssen. Doch das skizzierte Modell scheitert hier daran, dass für Stromlieferungen über das öffentliche Netz auch für Energiegemeinschaften die gleichen Auflagen gelten wie für große Stromversorger – inklusive Abgaben, Umlagen und bürokratischen Anforderungen. Auch ist eine individuelle Abrechnung nach tatsächlich erzeugtem und verbrauchtem „eigenem“ Ökostrom unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Tarife bislang technisch flächendeckend nicht möglich, solange das öffentliche Netz für die Verteilung genutzt wird.
Der Gesetzgeber arbeitet noch an Lösungen. Der aktuelle Koalitionsvertrag aus dem Frühjahr 2025 enthält allerdings – über ein allgemeines Bekenntnis zu Energy Sharing hinaus – noch keine detaillierten Maßnahmen oder Zeitpläne zur Umsetzung.³